Weichgespültes Musikdeutschland – Das Wort zum Sonntag


Wo sind sie hin, die wilden Mädels und Boys, die mit kerniger Musik und kantigen Texten die Nerven der pubertierenden Teenies strapazieren? Ich suche sie seit Jahren vergebens. Was man in den Prime Time Musikformaten zu sehen bekommt ist an Schmalz und rührseligem Gedusel nicht mehr zu überbieten. Alle singen Sie nur noch von Unendlichkeit, dem tollsten Moment, diesem unglaublichen Gefühl. Und immer dieser gleiche Sound. VierViertel Kick, stur geradeaus die immergleichen Synth Patterns sind der einzige Grund, um den aktuellen Musikgeschmack der Deutschen zu thematisieren.

Nun, nachdem der 400. perfekte Schwiegersohn und die 432. perfekte Schwiegertochter seine/ihre “unbeschreiblich beste” Single veröffentlicht hat, ist zu erkennen: Die Abwärtsspirale an banalen Kompositionen lässt sich nicht mehr aufhalten. Getreu dem Motto “Angebot/Nachfrage” werden seit 2015 nur noch die Themen behandelt, die mit geringstem Risiko und minimalem finanziellen Invest seitens der Musikkonzerne im besten Fall als steuerlicher Verlust abgeschrieben werden können.

Wer außergewöhnliche Musikvideos Made in Germany sucht, der wird im Pop oder Schlager lange suchen. Einzig und allein in der Rap Szene legen ungewöhnliche und unabhängige Acts wie GENETIKK ausgefallene Ideen oder gar Musikvideos im großen Stil.

Ich verlange ja nicht, dass der ein oder andere Act auf einem Hotelzimmer randalieren soll. Aber mittlerweile ist es ja schon so weit gekommen, dass Songs die nicht mit einem “Happy End” aufhören schon garnicht mehr gespielt, oder gar aufgenommen werden. In Deutschland scheint es wohl einfach keinen Liebeskummer, Trauer oder andere tiefgründige Themen mehr zu geben. Ein Falco hätte in der heutigen Zeit mit einem Song wie “Jeanny” keine Chance gehabt. Die Westernhagens, Lindenbergs oder auch Maffays, würden sie heute ihre Karrieren starten müssten sich den Spruch anhören “das können wir nicht machen”.

Einen kurzen Lichtblick präsentierte kürzlich der ZDF Fernsehgarten mit seiner “Festival-Ausgabe”. Hatten die es doch tatsächlich gewagt eine Sendung lang nur Rock-Musik zu bringen. Und es war wirklich erfrischend.

Doch schon eine Woche später zurück zum Schema F.

Also müssen wir uns wohl noch eine ganze Weile mit den immer gut gelaunten, aalglatten und vor allen Dingen “sehr sehr sehr dankbaren” Künstler/innen zufrieden geben – und die mutigen, innovativen wirklichen Künstler müssen weiterhin auf eine zufällige Song-Platzierung in einer Netflix-Serie hoffen.


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