Musikexperte prophezeit KI Katastrophe: Der Zerfall der Branche ist unumkehrbar

Nicht nur dank Chat GPT und anderen KI Bots, werden in vielen digitalen Branchen so einige Jobs in Rekordzeit hinfällig. Auch die Musikindustrie steht seit dem letzten Supergau (der mp3) nun wieder vor einer neuen Krise, die sie möglicherweise dieses Mal nicht meistern kann, weil sie die nahende Lawine noch garnicht erkannt hat.

Wo Unternehmen bis vor kurzem noch viel Geld für die sogenannten Schreibtisch-Jobs investierten, wird zunehmend überall da, wo programmiert, getextet, formuliert, übersetzt oder geplant werden muss, zahlreiche Stellen quasi “über Nacht” eliminiert. Selbst die großen Software und IT Riesen sparen sich zunehmend reich, indem sie ganze Abteilungen durch KI unterstützte Abläufe ersetzt. Selbst wir bei Burning-Music.de haben uns in Vergangenheit aus der Bequemlichkeit heraus den ein oder anderen Beitrag von Chat GPT schreiben lassen und uns selbst an dem Wertverfall des geschrieben Wortes beteiligt.

Doch inwieweit kann KI oder Chat GPT bzw. Google Bard Auswirkungen auf Musik, also audiovisuelle Inhalte haben? Wir haben mit dem Musikexperten Patrick Kronenberger, der seit 2010 erfolgreich in der Unterhaltungs- und Musikindustrie tätig ist, gesprochen.

BM: Hallo Patrick, du bist in der Musikwelt sehr breit aufgestellt. Hast als Sänger angefangen, dann als Texter und Komponist viele Preise erhalten und hast seit 2014 mit K’ENT Media deinen Schwerpunkt auf Künstlermanagement und Verlagsarbeit gelenkt und bist sogar seit zwei Jahren mit einem eigenen Label (K’ENT Records) erfolgreich. Welche Herausforderungen oder Sorgen bereitet dir die “KI”?

PK:
Das Problem ist, dass die Musikindustrie und hier meine ich nicht nur Deutschland vor einer massiven Veränderung steht. Denn es wird gerade eine komplette Kultur mit allen Gewohnheiten und Abläufen komplett auf Links gedreht. Man kann garnicht so schnell einen “Prompt schreiben”, wie ein Song seine Vermarktbarkeitszeit verliert. Die Definition eines “Hits” wurde nicht erst seit und durch TikTok komplett vom entwertet. Wir bekommen fast täglich Zuschriften oder Angebote von Leuten, die gerade alle mit einem “viralen Hit” durchstarten. Doch wenn es dann um die Umwandlung in Konzertickets geht, kriegen viele dieser  neuen”Hit Giganten” nichtmal ne 200er Halle ausverkauft.

BM: Neue Musik hat also ein Verfallsdatum?
PK: Die Musikbranche stand schon einmal vor einem ähnlichem Extrem, als die “Mp3” erfunden wurde und die Piraterie seine Hochkkonjunktur hatte. Nur mit viel Mühe und durch die Verramschung von Rechten an Plattformen wie Spotify oder Youtube bleibt überhaupt der ein oder andere “Dollar” hängen. Auch wenn sich der Bundesverband der Musikindustrie regelmäßig selbst gratuliert. Machen wir uns nichts vor. Die Deals, die viele Künstler:innen bekommen sind immernoch unterste Schublade und sie werden in Zukunft noch schlechter. Zudem wird täglich so viel neue Musik ins Netz gestellt und trotzdem spielt dir der Algorithmus (der kleine Bruder der KI) immer die gleichen Titel vor, nämlich die, er für richtig hält –  und die Radio Stationen machen das dann übrigens nach, indem sie die Playlists einfach kopieren, weil die Redakteur:innen nicht in Ungnade bei Ihren Zuhörer:innen fallen wollen. Dann hast du noch 4 sparten Sender die noch Schlager spielen, aber das ist ja ein ganz eigenes Universum.


BM: Okay und wie genau beeinflusst aktuell bspw. ein Chat GPT die Qualität der Musik(-branche)?


PK:
Ich sehe es immer wieder bei vielen Kolleg:innen, wie sie teilweise in den Writing-Camps, oder alleine im Studio sitzen und sich per Chat GPT Songtitel oder Themen vorschlagen, oder im schlimmsten Fall sogar ganze Songtexte schreiben lassen, wenn Ihnen selbst nichts mehr einfällt. Die bescheissen sich am Ende nur selbst. Das ist wie Cheaten bei GTA früher. Labels beispielsweise lassen sich nun sehr imposant formulierte Pressetexte zu neuen Singles oder Alben generieren, anstelle eine Presseagentur zu beauftragen, die pro Stunde abrechnet. Du kommst halt schnell und sehr günstig bis kostenlos an’s Ziel. Aber eben jeder andere auch, der weiß wie’s geht.


BM: Nun ist ein Songtext ja nur eine Komponente eines Liedes, das primär auch aus einzigartig komponierten Tonalen Abfolgen und Sounds besteht. Chat GPT kann ja nicht singen und Klarinette spielen, oder?


PK:
Das stimmt, bis vor ein paar Monaten konnte man sich als Musiker:in noch damit in Sicherheit wiegen und sagen, dass  die “handwerkliche Komponente” nicht angreifbar ist. Nun steht aber seit ein paar Monaten Google mit seinem “musicLM” AI bzw. KI Tool, in den Startlöchern, das dir aus einfachen oder komplexen Prompts einen komplett individualisierten, hörbaren Song, also eine richtige Komposition inkl. Gesang!! generiert. Englisch, Deutsch, Klassik, Techno, komplett egal. Die Ergebnisse werden sich wahrscheinlich in den ersten Wochen noch alle ganz grausam anhören, aber wir haben ja gesehen wie schnell und unaufhaltsam die Qualität hier wächst. Da werden schon bald oberamtlich gemixte und gemasterte Songs bei rauskommen.


BM: Das heißt jeder kann dann professionelle Musik machen?


PK:
Genau, wirklich jeder Endkonsument kann sich einfach die Musik generieren lassen, die er oder sie genau für diesen Moment, Stimmung oder Lebensabschnitt mag. In Moll, oder in Dur, für die Hochzeit, für den Grillabend, für Herzschmerz, on top noch gesungen von einer Deep Fake Stimme, die so klingt wie Ed Sheeran, Taylor Swift oder Olaf Scholz (wem’s gefällt). Genau so, als würdest du in den Supermarkt gehen und alles worauf du gerade bock hast einfach mitnehmen, gratis! Und natürlich werden diese KI Songs in kürzester Zeit die Streaming Plattformen überfluten, in Werbung, Film oder sonst so platziert  und man wird es nicht mehr unterscheiden können, ob das von einem “Musikprofi” oder von jemandem gemacht wurde, der gerade mal Bock hatte zu schauen “was geht” – und es wird auch egal sein.


BM: Was können die großen Konzerne/Plattenfirmen hier überhaupt noch ausrichten?


PK:
Die großen Konzerne begehen gerade wieder den gleichen Fehler den sie  bei der Erfindung der Mp3 gemacht haben. Entweder wollen sie das alles direkt weg klagen oder alternativ verzweifelt versuchen irgendwelche Lizenzdeals auszuhandeln. Das hat mit den Streaming Diensten wie Spotify über 10 Jahre gedauert und die Tantiemen sind (insbesondere für Texter:innen und Komponist:innen trotzdem nur beschämend. Und man hat ja kürzlich mitbekommen, dass bspw. Spotify diese Konditionen künftig “verschlimmbessert”. Diese 10 Jahre wird die Musikindustrie “zum verhandeln” mit der KI aber nicht haben. Das Kind ist wahrscheinlich cshon bis zum Sommer in den Brunnen gefallen, sodass sich all die aus dem Geschäft zurückziehen werden, die eins und eins zusammenzählen können. Und es wird nicht nur die vielen talentierten Newcomer:innen treffen, sondern auch etablierte Acts werden sich in Zukunft drei mal überlegen ob und wie sie Songs veröffentlichen, ob es das Geld Wert ist sich noch in’s Studio zu setzen, ein Musikvideo zu drehen und Geld für Promotion zu verbrennen.


BM: Welche weiteren Jobs innerhalb der Musikindustrie werden betroffen sein?


PK:
Da man mittelfristig das musikalische Handwerk an sich nicht mehr beherrschen muss, reicht es vollkommen aus, wenn du weißt wie man die AI Tools bedient. Nur diese Jobs werden allenfalls überleben. Sog. “Prompt Schreiber” würde ich sie mal nennen. Aber jemanden der für sechs Monate nur dafür bezahlt wird teure Songs für Filme oder Werbung einzukaufen oder produzieren lässt, das wird es so nicht mehr geben. Und da schon bald keiner mehr die Notwendigkeit darin sieht ein Musikinstrument, oder Gesang erlernen zu müssen, werden nochmal ganz andere Bereiche betroffen sein. Auch Leute die sich um Copyrights kümmern müssen sich garnicht mehr die Mühe machen irgendwelche Rechte einzufordern, wenn alle Arten von Sounds durch den KI Fleischwolf gedreht werden.


BM: Wird es dann auch bald keine “Stars” mehr geben, die alleine von der Musik leben können?


PK:
Die großen Talente (im Sinne von musikalischem Können) wird es so nie mehr geben. Wir werden die “letzte Generation” sein, die seinen Kindern erzählen wird “ja weißt du damals, da haben wir stundenlang Gitarre geübt, bevor wir auf die Bühne sind”. Man merkt ja schon jetzt, dass die Popkultur eher was mit Leuten zu tun hat, die eher gut darin sind “authentisch” zu sein. Shirin David hatte mit Thomas Gottschalk auf dem “Wetten Dass Sofa” den Versuch gestartet ihm genau das zu erklären. Das Momentum ist gerade eher so, dass die Jugendlichen ganz “random” Personen zu Stars machen, zu denen Sie über Shorts und Reels eine “persönliche Bindung” aufbauen können. Die müssen dann auch nichts weiter können als sympathisch und “real” sein. Und dann kannst du auch wie ein “Twenty4Tim” paar mal auf Nummer 1 geh’n, an Silvester am Brandenburger Tor performen, ohne dass du so singen können musst wie Pavarotti. Es gibt da also gerade eine unfassbare und vor allen Dingen schnelle Verlagerung. Verdient wird dann das Geld über Sponsoring-Deals, Premium Cloud Abos und “Fan Experiences”. 


BM: Welche Rolle spielt Social Media dann noch bei der Vermarktung der KI Musik?


PK:
Social Media Portale wie TikTok werden noch für einige Jahre der Impulsgeber sein, wo die “Hits” und “Trends” gemacht werden. Aber hier merkst du auch schon, dass viele der viralen Clips nur noch eine Lebensdauer von 3-4 Tagen haben.
So wie Google jetzt mit seinem “Musik Tool” auf Ressourcen wie Youtube abgreifen und wiederum zu Geld machen kann über Werbeplätze und Premium Abos, so werden auch andere Konzerne wie Meta, Apple und möglicherweise Amazon nicht lange auf sich warten lassen und ihre “one click, one hit” Lösung präsentieren. Es wird dazu kommen, dass die konservativen Majors (Sony, Universal, Warner etc.), die ja durch die vielen Self-Publisher und digitalen Labels (wie meines) zunehemend Konkurrenzdruck haben, drastisch weitere Marktanteile verlieren werden und Gefahr laufen zu alten “Back Up Katalog Dinos” zu verkommen, wenn sie nicht schnell handeln.


BM: Was rätst du deinen Kolleg:innen jetzt?


PK:
Entweder wir springen so schnell es geht auf die AI bzw. KI Welle drauf und versuchen das Thema so schnell es geht zu begreifen und die Tools in die Abläufe gewinnbringend zu integrieren, oder wir werden halt komplett überrollt. Dann eher am besten noch schnell eine Exit Strategie überlegen und Branche wechseln. Klingt hart und traurig, aber so wird es kommen, da die Musik so wie wir “Millenials” sie kennen, bald keinerlei finanziellen Wert mehr haben dürfte. Die Zeiten ändern sich gerade massiv. Solche Menschheitsverändernden Ereignisse gab es und wird es immer wieder geben. Einst wurde der Gitarrist mit Amp zur Aufnahme ins Tonstudio gestellt. Dann kamen die Plugins undnd jetzt spielt halt dein MacBook die Gitarre komplett alleine. Selbst ich überlege, ob es tatsächlich Sinn macht in den Feldern weiter zu agieren, in denen ich mich die letzten 10 Jahre bewegt habe. Im Live Entertainment, also der Konzertsparte gibt es wenigstens noch Potential, zumindest für die ganze Riege der bereits etablierten Acts, die nochmal auf ihre großen “Abschiedstourneen” gehen. Bei den Newcomer:innen hast du eine Handvoll “Super Acts” wie eine o.g. Shirin David, die Tickets verkaufen kann, aber im Bereich “Mittelstand” wird es dann ganz schnell unwirtschaftlich. Auf den Stadtfesten oder Weihnachtsmärkten können sich nur noch wenige eine Bühne leisten und Live Acts bezahlen, weil die Nebenkosten explodiert sind. Da spielt dann oftmals nur noch die Spotify Playlist.

BM: Oh das ist eine krasse Aussage. Was wäre denn deine Alternative?

PK: In dieser Welt, die gerade mit so unfassbar viel Leid, Kriege, Armut und Naturkatastrophen überschüttet wird, stelle ich mir die Frage, ob es nicht tatsächlich wichtigeres gibt als “Hits” im Internet zu haben, oder Stars und Sternchen bei ihren Profilneurosen zu begleiten. Aktuell überlege ich mit K’ENT Media im Bereich der humanitären Hilfe, Wohltätigkeit und naturnahen Projekten (wie unseren Riverside Parks) noch aktiver zu werden und zumindest somit meinen Beitrag für die Nachwelt zu leisten.

(c) Foto: AJ Adam Jacobs


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